Text: Jörg Büscher
Hallo! Schön, dass Sie sich hier vor der Hermann-Löns-Schule auf mir niederlassen; fünf Minuten innehalten täte uns allen ja zwischendurch mal gut.
Zunächst ein kleiner Blick zurück in vergangene Zeiten.
„Die körperliche Strafe darf bei Kindern der Unterstufe nur mit einer aus dünnen Reisern gebundenen Rute, bei größeren Kindern mit einer biegsamen Gerte von höchstens einem Zentimeter Durchschnittsstärke ausgeführt werden. Diese Gerte darf nicht dieselbe sein, mit welcher an der Wandkarte oder Wandtafel gezeigt wird. Hierzu ist vielmehr ein anderer, etwas stärkerer und unbiegsamer Stab zu verwenden. Mädchen dürfen, wenn bei ihnen eine Züchtigung in seltenen Ausnahmefällen notwendig wird, nur in der Hand und auf den Rücken, Knaben auch auf das Gesäß, geschlagen werden. Entblößung der letzteren Körperteile ist selbstverständlich ausgeschlossen.“
Dies ist ein Erlass der Bezirksregierung vom 14. Juni 1887 der zeigt, dass früher eben doch nicht alles besser war. Aber er belegt auch, dass zu jener Zeit die Prügelstrafe eine wichtige Rolle im alltäglichen Schulleben spielte; so auch in der Hermann-Löns-Schule, die früher hier im Eper Amtshaus untergebracht war und deren Historie ich Ihnen an dieser Stelle etwas näherbringen möchte. Wobei die Hermann-Löns-Schule nicht immer Hermann-Löns-Schule hieß, aber dazu später mehr.
Der erste urkundliche Nachweis über das Vorhandensein einer Schule in Epe stammt aus dem Jahre 1573. 327 Jahre später, ja richtig gerechnet, 1900, gab es drei Schulen im Dorf: Die in der Nähe der St-Agatha-Kirche stehende Volksschule, auch „Rattenschule“ genannt, erbaut 1822; die Annette—von-Droste-Hülshoff Schule, als reines Mädchen-Institut, Grundsteinlegung 1898; und die evangelische Freiherr-vom-Stein-Schule, fertiggestellt in eben diesem Jahr 1900. Aufgrund von steigenden Schülerzahlen entschied man sich 1909 hier an der Agathastraße für den Bau einer neuen Volksschule, konzipiert als reine Jungen-Schule für die Klassen 1-8. So belegt ein Bauschein, dass die Antragstellung bei der Behörde am 5. April erfolgte und die Genehmigung, und das ist kein Aprilscherz, am selben Tag erteilt wurde. Eine Geschwindigkeit, die sich heutzutage auch so mancher Bauherr wünschen würde.
Was aus heutiger Sicht auffällig erscheint, aber damals zum allgemeinen Schulbild der Volksschulen gehörte, war die große Anzahl von Schülern pro Klasse. 60 Zöglinge in einer Einheit war keine Seltenheit. Bis 1937 hieß die Schule „Katholische Knabenschule“, dann wurde sie in diesem Jahr umbenannt in „Hermann-Löns-Schule“. Eine offizielle Begründung lässt sich nicht finden, vielleicht lag es an dem damals in der Nazizeit regelrecht zelebrierten Kult, den es um den bekannten Volksdichter gab.
Nichtsdestotrotz gehört das Lied „Hermann-Löns, die Heide brennt“ zum festen Repertoire einer jeden Musikkapelle auf den Eper Schützenfesten. Und wer schon einmal dabei war, weiß, was ich meine; aber das ist eine andere Geschichte.
Zurück zur Schule: Wie alle staatlichen Einrichtungen, so hatte sich auch die HLS der nationalsozialistischen Ideologie und Politik unterzuordnen. Unliebsame Lehrer wurden entfernt, jüdische Schüler mussten die Schule verlassen, der Unterrichtsstoff wurde linientreu angepasst und die Schüler entsprechend in die Hitlerjugend gedrängt. Obwohl Gronau und Epe immer mal wieder Ziel von alliierten Luftangriffen war, blieb das Gebäude unbeschädigt. Ab 1942 konnte der Lehrbetrieb kriegsbedingt nur noch sporadisch durchgeführt werden, im Herbst 1944 wurde die Schule dann dauerhaft geschlossen.
Mit einem feierlichen Gottesdienst nahm man am 8. Oktober 1945 den Betrieb wieder auf und begann mit dem Unterricht für die Grundschüler. Nach und nach normalisierte sich der Schulalltag wieder und so findet sich am 25.7.1956 der folgende Eintrag im Schulprotokoll: „Mit Hilfe der staatlichen Mittel von 10 DM pro Lehrperson zur Pflege der Betriebsgemeinschaft besuchten die Lehrpersonen mit ihren Frauen die Oper „Der Freischütz“ an den städtischen Bühnen in Münster.“
Im Jahre 1964 wurden in der Bundesrepublik Deutschland die bisherigen Volksschulen mit ihren acht Schuljahren aufgrund des Hamburger Abkommens zur Bildungsreform formell aufgelöst. Die Hermann-Löns-Schule wurde nun offiziell eine Grundschule. 1970 erfolgte eine weitere Schulreform, wobei die ehemalige Volksschule, die „Langemarkschule“, nur einen Steinwurf entfernt an der Friedrichstraße gelegen, der Hermann-Löns-Schule angeschlossen wurde.
Anfang der 1990er-Jahre lief die Nutzung der Hermann-Löns-Schule hier an der Agathastraße als Schulgebäude aus und es begann eine langwierige Suche nach einer adäquaten Nachfolgenutzung. 1995 wurde dann der Lehrbetrieb endgültig eingestellt und die verbliebenen Klassen auf die anderen Gebäude verteilt. Und so ging nach 86 bewegten Jahren das Schulleben in diesem Gebäude zu Ende. 1997 entschied die Stadt Gronau das Gebäude zu einem Bürgerzentrum umzubauen. Umfangreiche und aufwändige Baumaßnahmen wurden durchgeführt, wobei man die architektonisch beeindruckende Außenstruktur nicht veränderte.
Aus der ehemaligen Hermann-Löns-Schule wurde das Eper Amtshaus mit Räumen für die Verwaltungsnebenstelle, für die Musikschule und für die Volkshochschule. Ein markantes Gebäude im Herzen von Epe erstrahlte somit im neuen Glanz.
Wie schrieb Frank Vetter in seinem Aufsatz „Aus der Geschichte der Schulen“: „Die Geschichte der Hermann-Löns-Schule zeigt, dass es lohnt, sich für bauliche Qualität einzusetzen, nach Lösungen zu suchen, die nachhaltig sind und dem jeweiligen Ort gerecht werden. Kaum ein Neubau hätte diese Qualitäten aufweisen können.“
Recht hat er!
P.S. In der BRD wurde die Prügelstrafe offiziell 1973 abgeschafft, im Freistaat Bayern dauerte es noch 10 Jahre länger.
Quelle: Eper Schulgeschichte(n), Ein Lesebuch, Heimatverein Epe